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Nicht jeder muss gleich Aktivist*in werden. Aber jede Stimme zählt. Im Supermarkt, im Fashionstore, auf dem Wahlschein für die Bundertagswahl. Deshalb: Act now!

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Als ich angefangen habe in Moderedaktionen zu arbeiten, habe ich nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass ich knapp 20 Jahre danach immer noch in der Mode sein würde. Dann aber auf der anderen, der nachhaltigen Seite. Ich habe zahllose Trends kommen und gehen gesehen. Wir haben die Trends sogar gemacht. Blau ist das neue Schwarz. Hello, Layering, Colorblocking, Pyjamastyle. Welcome back Pinstripes, Marlenehose & Co. Es ging um Plätze in der Front Row bei Fashion Shows, Klickbringer im Netz (10 Outfits unter 100 Euro). Kurz: Um mehr, mehr, und noch mehr Konsum.

Wenn immer mehr irgendwann zu viel wird, wird weniger mehr.

Irgendwann (genaugenommen im Januar 2016) hatte ich zu viel von dem immer mehr. Zu viele (immer wiederkehrende und oft uninspirierende) Trends. Zu wenig Platz für Inhalte, weil Bilder in Modezeitschriften mehr Raum bekommen als Worte. Zuwenig Freiheit, über Brands und Themen zu schreiben, die zur Veränderung beitragen. Also habe ich meinen Blog gelauncht und den Redakteursjob von dem so viele träumen aufgegeben. Keine Presseeinladungen nach London, Paris, Miami mehr. Kein festes Gehalt. Keine 30 Tage bezahlten Urlaub. Kein Weihnachtsgeld. Bye-bye, Interviews mit Kate Winslet, Rupert Everett, Eva Green & Co.

Ob es dafür Mut braucht? Vor ein paar Jahren war ich gemeinsam mit u.a. Elisabeth Burda bei The Lovers zum Thema Mut eingeladen. Ich fand meine Mit-Panelistinnnen unglaublich mutig und habe mich gefragt, warum ich die Ehre hatte, in dieser Runde sprechen zu dürfen. Offensichtlich wurde meine Entscheidung, einen sicheren Job an den Nagel zu hängen, um mich für nachhaltige Mode zu engagieren, als mutig empfunden. Ganz ehrlich? Diesen Schritt habe ich aus voller Überzeugung gemacht. Ich wollte und konnte einfach nicht mehr den Überkonsum ankurbeln und Mode unterstützen, die Menschen, Tiere und unseren Planeten ausbeutet. Inhaltslose Headlines texten, nur weil gerade Animalprints für moderne Großwildjägerinnen, Lovely Lace oder Pufferjackets en vogue waren.

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Ob ich diese Entscheidung bereue? Nicht eine Sekunde.

Seit sechseinhalb Jahren schreibe ich jetzt über nachhaltige Mode auf meinem Blog und für diverse Zeitschriften. Ich habe mit der GREENSTYLE eine Messe- und Konferenzformat entwickelt, mit dem wir Eco Brands zu mehr Sichtbarkeit verhelfen. Wir haben die GMUC agency gegründet und unterstützen und beraten Labels auf vielen verschiedenen Ebenen. Im April dieses Jahres haben wir zwei Tage lang den GREENSTYLE Responsible Fashion Summit organisiert. Mit der Eröffnung von GREENSTYLE the store im Münchner Rathaus im Mai 2021 haben wir die Möglichkeit möglichst viele Facetten der nachhaltigen Mode mitten in die Stadt zu bringen.

Unser Ziel: Veränderung im Konsumverhalten und in der Textilindustrie. Dafür kommunizieren wir auf so vielen Kanälen wie möglich.

Ich gebe Workshops, halte Vorträge auf Veranstaltungen, an Universitäten, auf Messen. Ich bilde Netzwerke und versuche als Fashion Revolution Ambassador Menschen aufzuklären und für nachhaltigen Konsum zu begeistern. Und wir sind immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, unsere Message zu spreaden. Jeder einzelne, den wir erreichen und für einen bewussteren Lebensstil begeistern können, zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und dass sich unser Engagement der letzten Jahre lohnt.

Was für ein Geschenk, dass ich seit Jahren über nachhaltige Modelabel schreiben darf (alleine für das GREENSTYLE Brand Directory habe ich über 150 porträtiert) und die inspirierenden Macher kennenlernen durfte. Dass ich immer neue Facetten der Nachhaltigkeit entdecke (nachhaltige Mode ist so viel mehr als Bio-Baumwolle). Noch immer lerne ich jeden Tag neue Dinge. Ich bin glücklich und stolz, Teil dieser Bewegung zu sein. Etwas bewegen zu können. Meine Meinung sagen und schreiben zu dürfen und so meinen eigenen kleinen Beitrag für die Moderevolution zu leisten.

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© Mirjam Smend und Andrea Heinsohn

Wer mich begeistert? Menschen, die ihre Komfortzone verlassen, um sich für ihre Überzeugung einzusetzen.

Warum ich gerade heute mit diesem Thema komme? Weil am 26. September Bundestagswahl ist: Weil es definitiv nicht so bleiben darf wie es gerade ist. Jeder einzelne von uns MUSS auf seine Art aktiv werden, damit wir die Klimaziele erreichen können und damit der Zustand unseres Planeten sich nicht weiterhin drastisch verschlechtert. Lange haben wir darüber gesprochen. (Vermeintliche) Unwissenheit ist keine Ausrede mehr. Immer mehr Menschen sind auf der Suche nach einem purpose job und entscheiden sich, ihre Talente und Engagement für das Gute einzusetzen. Die ihren Mund aufmachen, ihre Stimme nutzen, sich nicht unterkriegen lassen. Das war über die Jahre ein bisschen verlorengegangen. Wir sind zu Ja-Sagern mutiert.

Greta hat (bewusst oder unbewusst) den entscheidenden Schritt getan.

Die 15-jährige Greta Thunberg hat vor ziemlich genau drei Jahren mit ihrem Schulstreik vor dem schwedischen Reichstag in Stockholm den Startschuss für die weltweiten Klimastreiks gegeben. Ja, Greta polarisiert. Aber um Greta als Person geht es mir hier nicht. Mir geht es um die Tatsache, dass endlich jemand den entscheidenden Schritt getan hat: Sie hat die aktuelle Situation nicht mehr akzeptiert und hat darauf aufmerksam gemacht, dass sich (endlich!) etwas ändern muss. Wir dürfen unseren Planeten nicht länger mit Füßen treten und uns unsere eigene Existenzgrundlage entziehen. Eine 15-Jährige hat mit einer eigentlich kleinen Aktion die größte Jugendbewegung aller Zeiten initiiert. Beim ersten globalen Klimastreik im März 2019 sind knapp zwei Millionen Jugendliche für das Klima auf die Straße gegangen. Im September waren es allein in Deutschland 1,4 Millionen. Ob sie damit gerechnet hat, was für einen Stein sie ins Rollen bringen würde? Sicherlich nicht. Sie hat gezeigt, dass wir so nicht weitermachen können. Nicht so weitermachen dürfen. Und das swir gemeinsam etwas bewegen können. Wir brauchen jeden einzelnen, wenn wir etwas verändern oder aufhalten möchten.

Der „Klimaaktivist liegt in der Hitparade der Aktivisten weit vorne.“

Gabor Steingart hat in einem seiner Newsletter geschrieben, dass der „Klimaaktivist in der Hitparade der Aktivisten weit vorne liegt.“ Das macht Hoffnung. Offenbar ist das Thema in der Gesellschaft angekommen. Greta war gerade auf dem Cover der skandinavischen VOGUE, große Modemagazine setzen auf Green Issues (auch wenn ich vieles davon für Greenwashing halte, weil man statt innovativer Ideen wie immer die Anzeigenkunden bedienen muss), das Thema ist medial maximal präsent.

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© Lena Scherer

Danke an alle Game Changer, die sich für eine bessere Welt engagieren.

Auf eine Verhaltensänderung müssen wir aber offensichtlich noch warten. Wirklich spürbar ist diese außerhalb unserer Green Bubble nicht wirklich. Nur fünf Prozent aller Modekäufe sind nachhaltig. Die Produktionszahlen von Fast Fashion steigen nach wie vor. In Deutschland werden 4,7 kg Kleidung pro Person im Jahr weggeworfen. Damit sind wir auf Platz 1 in Europa gelandet. Herzlichen Glückwunsch zu dieser traurigen Leistung. Wir benutzen Einmalplastik als gäbe es kein Morgen. Sorry, sieht so aus, als würden wir uns mächtig in die eigene Tasche lügen.

Der schlimmste Fehler, den wir machen können, ist zu hoffen, dass jemand anders die Welt retten wird

Und jetzt? Jetzt muss sich etwas ändern. Mehr und schneller als bisher. Schritt1: Am 26. September 2021 zum Wählen gehen und das Kreuz fürs Klima machen.

Und danach? Selber aktiv werden. Keine Panik. Nicht jeder muss gleich Aktivist*in werden oder seinen Job kündigen. Jeder kleine Schritt zählt.

Fashion Revolution sucht immer nach Unterstützer*innen.
• Engagiert Euch bei Fridays for Future
Sprecht mit Euren Freunden und Familien über das Thema, um möglich viele Menschen damit zu erreichen
Organisiert private Clean ups – gerade haben wir #DeutschlandHebtAuf gestartet in der Hoffnung, dass unser Planet wieder ein kleines bisschen sauberer wird, oder schließt Euch schon bestehenden Bewegungen an.
Informiert Euch über das Thema

Grundsätzlich gilt:

• Das nachhaltigste Kleidungsstück ist das, das wir schon haben (Stichwort: Shop your own closet).
Alternative Konsummodelle wie Second Hand, Leihen (z.B. Fairnica, Unnown und die Peer-to-Peer-Plattformen CLOTHESfriends, NRNY und WeDress Collective) reduzieren den CO2-Fußabdruck, verlängern die Tragedauer eines Kleidungsstücks, schließen Kreisläufe.
• Slow statt Fast Fashion, um die Ausbeutung von Textilarbeiter*innen, Umweltverschmutzung und Tierquälerei nicht zu unterstützen.

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© Lewis Parsons und Lena Scherer

Danke an alle, die meinen Text bis hier gelesen haben. Zusammen sind wir mehr. Zusammen sind wir lauter. Let’s change that fashion game because there is no planet B.

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