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Eco-Pionierin und Powerfrau - im Gespräch mit Claudia Lanius

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Seit fast 30 Jahren macht Claudia Lanius Eco-Fashion – und seit knapp 20 Jahren unter dem Namen Lanius. Damit gehört sie definitiv zu den prägenden Wegbereitern der nachhaltigen Fashion-Szene. Denn als sie ihre erste Jeans-Kollektion aus Hanf mit dem wunderbar doppeldeutigen Namen THC – The Hanf Company auf den Markt brachte, war nachhaltige Mode kein Thema. Alles schien es im Überfluss zu geben. Und dennoch war Claudia Lanius fasziniert von dem schnell und umweltfreundlich wachsenden Rohstoff, der sich so wunderbar – vor allem in Kombination mit Seide – verarbeiten lässt.

Ihre visionären Hanfkollektionen machen Claudia Lanius zur Eco-Pionierin in Deutschland

Auch heute hat die Kölnerin noch tolle Teile aus Hanf in ihren Kollektionen, die sie seit 1999 unter dem eigenen Namen vertreibt. Dazugekommen sind neben Bio-Baumwolle, Tencel und Modal zahlreiche weitere fantastische nachhaltige Materialien. Und vor allem wunderbar-weibliche Schnitte für moderne Frauen, die wissen möchten, was sie tragen. Und was fragt man jemanden, der das Thema schon viel länger kennt, als man selbst? Am besten alles, denn hier gibt es Wissen aus erster Hand.

Von Öko-Mode zur grünen High Fashion – ein Gespräch mit Claudia Lanius

my-GREENstyle: Du bist die deutsche Eco-Fashion Pionierin und gehörst damit zu den wenigen, die ich um einen Rückblick bitten kann. Was hat sich in der nachhaltigen Mode verändert, seit Du dein Label gegründet hast?
Claudia Lanius: Seit der Gründung von Lanius im Jahr 1999 bzw. der Gründung meiner ersten Firma „THC – The Hanf Company“ im Jahr 1994 hat sich eine ganze Menge geändert. Es gab damals wie heute Menschen, die mit Mut Dinge anfangen und neu gestalten. Das hat damals sicherlich Hessnatur getan, deren Qualitätsstandards zu meinem Vorbild wurden. Seitdem ist viel passiert: Die Mode ist schlichtweg schöner geworden, das Angebot größer. Die Zulieferer haben sich geöffnet, probieren sich aus und sind offener für Veränderung. Man könnte sagen: Auf allen Seiten ist das Bewusstsein dafür gewachsen, dass wir nur einen Planeten Erde haben, wir Dinge wiederverwerten und auf nachhaltige Ressourcen setzen müssen.

Claudia Lanius

Perfekt für den Sommer: der hauchzarte Tülrock aus Bio-Baumwolle

my-GREENstyle: Woran kann es liegen, dass fair produzierte Kleidung immer noch so verschwindend gering bei den Verkaufszahlen ist?
Claudia Lanius: Es handelt sich immer noch um eine kleine Anzahl nachhaltiger Produktionen. Und es ist immer noch schwer, gute nachhaltige Mode zu bekommen. Sofern man nicht online bestellen möchte, finde ich es selbst in einer Großstadt wie Köln schwierig, einen coolen Laden zu finden. Ich verstehe die Kundin, die nicht erst eine umfassende Recherche betreiben möchte. Das nachhaltige Angebot muss den Kunden einfach noch effektiver nahe gebracht werden. Und nachhaltige Mode ist einfach etwas teurer – in den Köpfen ist da noch verankert: Bio ist teuer. Da besteht definitiv noch Ausbaupotenzial und dies beinhaltet ebenfalls Aufklärungsarbeit.

Aus Ökomode ist großartige Green Fashion geworden

my-GREENstyle: Was müsste sich ändern? Welche Faktoren könnten nachhaltiger Mode einen Push geben, damit sie öffentlich stärker wahrgenommen wird?
Claudia Lanius: Die Branche muss wachsen. Und noch mehr Firmen müssen nachhaltige Mode anbieten. Auch die Regierung könnte weitere Schritte unternehmen, damit von vornerein nachhaltig gedacht wird. Stärker wahrgenommen wird der Gedanke natürlich, indem er durch die Presse und Blogger, sowie durch bekannte Persönlichkeiten verbreitet wird.

Gute nachhaltige Mode ist leider noch immer schwer zu bekommen

my-GREENstyle:Nachhaltig“ ist für mich persönlich ein Begriff, der so unsexy ist, dass mir kaum eine Steigerung einfällt. Wie hat man die nachhaltige Mode bezeichnet, als Du in dem Bereich angefangen hast?
Claudia Lanius: Für mich als alten Hasen in der Green Fashion Branche klingt der Begriff „Nachhaltig“ eigentlich sogar schick. Früher hieß es „Bio-Mode“, oder „Öko-Mode“. Das war wirklich schrecklich unsexy, sodass ich diese Begrifflichkeiten gar nicht für mich adaptiert habe. Dann kamen irgendwann englische Begriff wie „Fashion & Ecology“ auf. Das hörte sich schon besser an. Aber „Bio-Mode“ war wirklich lange der Zeit der Begriff. Mittlerweile sind englische Begriffe ja fest in unserem Wortschatz verankert und von daher kann ich mich gut mit Fair Fashion und dem deutschen Pendant nachhaltige Mode, bzw. fairer Mode anfreunden.

Claudia Lanius

Lässige Eleganz in White & Black

my-GREENstyle: Fällt uns nicht etwas Besseres ein – etwas was Lust auf Fashion und Design macht. Gutes Gewissen inklusive?
Claudia Lanius: Ich kann euch da nur unseren Claim ans Herz legen, der auf unserem Unternehmensverständnis beruht und nachhaltige Entwicklung als fortwährenden Prozess bergreift: LOVE FASHION / THINK ORGANIC / BE RESPONSIBLE. Das sind unsere Maximen für eine Mode, die sich gut anfühlt – auf der Haut und dem Gewissen.

Love Fashion – think organic – be responsible lauten die Maxime von Lanius

my-GREENstyle: Wie siehst Du die nachhaltige Mode in Deutschland im internationalen Vergleich?
Claudia Lanius: Ich denke, wir zählen in Deutschland zu den Vorreitern. Die Automobil- und die Lebensmittelindustrie haben es vorgemacht. Die Textilindustrie folgt: Mit der Ethical Fashion Show in Berlin zählen wir zu den ersten, die der nachhaltigen Mode eine eigene Plattform zur Präsentation auf der Fashion Week anbieten. Nachhaltigkeit ist zum Lifestyle geworden und die Deutschen lassen sich im internationalen Vergleich von Qualitätsmerkmalen immer gerne überzeugen.

my-GREENstyle: Die Konkurrenz hat über die Jahre auch auf dem nachhaltigen Bereich zugenommen. Welche Auswirkungen hat das auf das eigene Label?
Claudia Lanius: Konkurrenz belebt das Geschäft. Ich finde ich es ziemlich toll, dass wir nicht alleine am Markt sind. Vor einigen Jahren hatte ich wirklich Angst, dass das ganze einschläft. Wo das Angebot steigt, da steigt auch die Nachfrage. Im Segment DOB sind wir immer noch das führende Label und das freut mich sehr. Aber es gibt viele andere Labels, die sich in dem Bereich etabliert haben, wie Philomena Zanetti, Isabell de Hillerin, und honest by. Sie alle beleben den Markt und machen ihn interessant. Letztendlich geht es darum, dem Conscious Consumer eine breite Auswahl zu bieten und dazu braucht es eine Vielfalt an Labels.

Der Conscious Consumer braucht eine breite Auswahl

my-GREENstyle: Du hast eine Kooperation mit Weleda. Auf der Salonshow haben wir Deine großartige Kooperation mit Kunert gesehen. Gilt im nachhaltigen Bereich „zusammen sind wir stark“ oder herrscht da ein ähnlicher Konkurrenzkampf wie bei der konventionellen Mode?
Claudia Lanius: Glücklicherweise nicht. Irgendwie macht diese Verbundenheit stark und lässt uns zusammenrücken. Ich finde diese Kooperationen toll und setze mich gerne mit Menschen auseinander – sei es aus der Textilbranche, oder wie im Falle von Weleda, aus der Naturkosmetikbranche. Ich finde das wunderbar und es stimmt: Zusammen sind wir stark und über die unterschiedlichen Unternehmensgeschichten hinweg finden sich Synergien und es können neue Geschichten entstehen und erzählt werden.

Zusammen sind wir stark und können Synergien nutzen

my-GREENstyle: Kannst Du uns ein bisschen über Lanius x Kunert erzählen? Wir kam es dazu?
Claudia Lanius: Auf den vergangenen GreenTec Awards haben wir erstmals Teile unserer Kollektion vorgestellt und uns natürlich auch umgeschaut. Dort sind wir dann schnell mit Kunert ins Gespräch gekommen, die ihre Produktinnovation, die Blue Serie aus Econyl, dort exklusiv präsentierten. Auf beiden Seiten herrschte große Begeisterung und so begannen die Überlegungen, was man gemeinsam erschaffen könnte. Daraus entstanden ist die erste nachhaltige Mantel-/Strumpfkollektion, auf die wir stolz sind und die definitiv noch ausbaufähig ist.

Claudia Lanius

Musthave aus der FS 2017-Kollektion: der Denim-Blouson aus Tencel

my-GREENstyle: Gibt es ein weiteres Modelabel mit dem Du gerne mal kooperieren würdest? Käme bei Dir eine Zusammenarbeit mit einem konventionellen Designer in Frage?
Claudia Lanius: Eine schwierige, wie auch spannende Frage. Es gibt definitiv große Designer und Marken, wie Jil Sander, Armani und Karl Lagerfeld, die mich durch ihre klare Formsprache sehr inspirieren und interessieren. Ließen sich Möglichkeiten finden deren Design mit unseren nachhaltigen Materialien in Einklang zu bringen, wäre das natürlich eine wahnsinnig tolle, wie auch aufmerksamkeitsstarke Sache…

Ich könnte mir vorstellen mit Jil Sander, Armani oder Karl Lagerfeld zusammenzuarbeiten

my-GREENstyle: Du zeigst Deine Kollektion in Berlin auf der Ethical Fashion Show UND auf der Premium. Die Wahrnehmung der identischen Lanius-Kollektion auf den unterschiedlichen Messen ist…
Claudia Lanius: … natürlich vollkommen unterschiedlich. Auf der Ethical Fashion Show sind wir das größte DOB-Label und stechen dadurch schon etwas heraus. Das ist immer ein tolles Erlebnis, wenn die Einkäufer in unsere Kollektion reingreifen und von der bloßen Haptik beeindruckt und angenehm überrascht sind. Auf der Premium nimmt man uns natürlich unter den 1500 Labels weniger wahr. Da ist es schwierig und wir müssen echte Überzeugungsarbeit leisten um dort auf unsere Positionierung aufmerksam zu machen. Aber auch dort haben wir viele neue gute Kunden gefunden und finden es wichtig, uns der breiteren Masse als Marke zu präsentieren.

my-GREENstyle: Du hast viel erreicht in den bald 20 Jahren. Was steht noch auf deiner Agenda?
Claudia Lanius: Noch eine ganze Menge. Mich interessieren Projekte, wie das Bio-Baumwollprojekt der bioRe-Stiftung über die wir unsere Bio-Baumwolle beziehen und deren Indien-Schulprojekt das wir seit drei Jahren unterstützen. Im Oktober war ich in Peru, da wir unsere wunderbaren Alpaka-Qualitäten ausbauen werden. Dort konnte ich mich umfassend mit meinen bestehenden Produktionsbetrieben befassen, wie auch über neue Produzenten informieren. Und natürlich mit eigenen Augen sehen, wie die Alpakas hoch oben in den Anden leben.

Wir werden unsere wunderbaren Alpaka-Qualitäten ausbauen

Für neue Kooperationen mit Menschen, die etwas vorantreiben möchten bin ich immer offen. Daneben liegt mein Fokus ganz klar darauf, neue schöne Kollektionen zu designen hinter denen mehr steht, als ein gefälliges Design. Neue Möglichkeiten im Material zu entdecken und Prozesse zu optimieren liegt mir nun in meiner zweiten Lebenshälfte (wie ich sie persönlich immer nenne) sehr am Herzen.

Claudia Lanius

Can’t resist: Jeder der mich kennt, weiß das ich der absolute Streifen-Fan bin

my-GREENstyle: Du hast mit Hanf angefangen. Heute hast Du 20 Materialgruppen mit denen Du arbeitest. Welches ist Dein Lieblingsmaterial?
Claudia Lanius: Es gibt Sommer- und Wintermaterialien, die ich besonders mag. Ich liebe Seide. Ich mag Hanf immer noch sehr und habe es auch meist in einer Materialmischung in meinen Kollektionen. Ich fliege jetzt nach Indien und habe auf jeden Fall hautschmeichelnde Leinen- und Hanfshirts im Koffer. Für den Sommer ist es einfach ein tolles, kühlendes Material. Ganz anders als Baumwolle oder Seide, die in der Hitze schnell kleben. Im Winter freue ich mich natürlich über meine Alpakapullover, die dank der Luft in den Kapillaren so leicht sind.

my-GREENstyle: Gibt es ein Material, das Du mal ausprobieren möchtest?
Claudia Lanius: Unbedingt! Ich könnte mir vorstellen mit dieser Milchfaser, der QMilk, zu arbeiten. Ich finde es spannend, wenn neue Materialien wie z.B. Seacell aus Algen auf den Markt kommen. Und neue, natürliche Ressourcen genutzt werden, die schnell nachwachsen, oder einfach – wie das Eiweiß Casein im Falle der QMilk – einfach vorhanden sind. Ich schaue immer, was für uns möglich ist.

Ein besonders spannendes Material: QMilk, eine Milchfaser

my-GREENstyle: Und welche Lieblingsstücke finden wir in Deinem Kleiderschrank, die nicht von Lanius sind?
Claudia Lanius: Da es gibt es natürlich schon das eine oder andere. Ich bin ja mit meinen Kölner Läden als Multibrand-Store unterwegs und habe ein paar geliebte Drykorn-Teile in meinem Kleiderschrank. Und ich liebe Humanoid, ein holländisches Label was sehr schöne Materialien verarbeitet und einen lässigen Stil hat.

my-GREENstyle: Wann hast Du das letzte Mal ein nicht-nachhaltiges Kleidungsstück gekauft und welches?
Claudia Lanius: Das war dann wohl ein Drykorn-Teil. Das Label produziert zwar nicht nachhaltig, legt aber einen sehr großen Wert auf Materialien und verarbeitet einen sehr hohen Anteil an natürlichen Materialien. Zudem kennt Drykorn seine Produktionsstätten. Und die Art und Weise, wie das Schneider-Handwerk dort praktiziert wird, schätze ich sehr.

Claudia Lanius

Color up your life: Bluse aus luftig-duftiger Waschseide

my-GREENstyle: Was könntest Du jungen Kollegen mit auf den Weg geben, die ein nachhaltiges Modelabel gründen möchten?
Claudia Lanius: Viel Engagement, viel Fragen, viel zusammenarbeiten. Sich mit den Menschen bei IVN und GOTS auseinandersetzen. Lernen, was die Zertifizierungen bedeuten. Kurz zusammengefasst. Fragen, Fragen, Fragen, Leidenschaft, Leidenschaft, Leidenschaft.

Tipp der Eco-Pionierin für junge Kollegen: Fragen, Fragen, Fragen, Leidenschaft, Leidenschaft, Leidenschaft

my-GREENstyle: Wie und wo erholst Du Dich am besten?
Claudia Lanius: Am liebsten sonntags im Neptunbad. Der Sonntag ist für mich ein Tag, an dem ich nicht viel rede und nicht so viel nachdenken will. Ansonsten jogge ich morgens gerne im Volksgarten. Die Geräusche dort, die Luft und der Blick in die Natur – das tut mir einfach gut.

my-GREENstyle: Dein Lieblingsort?
Claudia Lanius: Das Neptunbad (grins), aber auch zuhause.

my-GREENstyle: Bevor ich’s vergesse: Was trägst Du heute?
Claudia Lanius: Ein All-Black-Outfit, wie man ja heute so schön sagt. Bestehend aus einer Kunert-Strumpfhose – allerdings nicht aus Econyl, sondern aus Seiden-/Baumwollmischung. Unseren schwarzen Lederrock aus der kommenden Herbst/Winter-Kollektion – aus wunderbar atmungsaktivem deepmello Rhabarberleder®. Und den kuscheligen schwarzen Pullover mit Stehkragen aus unserer Organic Merino Fine Knit Qualität.

Vielen Dank, Claudia!

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